Stadtπrat

Es ist alles ganz furchtbar.

Der Ruf

28. September 2022 — Stadtπrat

Zu den witzigsten Sätzen, die ich seit Beginn meiner Mandatsträgertätigkeit gehört habe, gehört seit ein paar Tagen der Ausspruch einer hier nicht näher genannten Parteivorsitzenden, mit mir sei keine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich, denn man höre vieles von mir, was meinen Leumund ernsthaft beschädige. Meiner Entgegnung, es sei vielleicht von Nutzen, zwecks Einschätzung einer anderen Person mit dieser Person und nicht nur über sie zu sprechen, wurde ein indifferenter Blick entgegengesetzt.

Als ich diese Geschichte einer nicht direkt in die politischen Geschicke der Stadt involvierten Freundin erzählte, bestätigte sie, dass auch in ihrem eigenen Freundeskreis - hu! hu! - mein Ruf bekannt sei. Die maßgebliche Quelle: Mittlerweile antike Zeitungsartikel über einen naiven Fehltritt zu Beginn meiner parteipolitischen Entwicklung: dass ich eine von recht unappetitlichen Kreisen initiierte Petition ebenso unappetitlichen Inhalts unterzeichnet habe.

Nicht alles, was ich in meinem Leben angestellt habe, treibt mir heute nicht selbst die Hand ins Gesicht. War eine sackblöde Idee, das mit der Petition. In einem Gespräch mit der Presse (hier nicht verlinkt, ich mag die alten Fotos von mir einfach nicht ;-)), das in der Betrachtung meines Rufes zu selten eine Rolle zu spielen scheint, hatte ich mich noch im August 2012 eindeutig von unappetitlichen politischen Bestrebungen distanziert, und dazu stehe ich bis heute (vgl. November 2021). Parteipolitik wäre das falsche Vehikel für politischen Extremismus und er richtet grundsätzlich nichts als Schaden an.

Ich habe nach dem letztgenannten Gespräch einen dieser Fehler begangen, von deren Begehung ich jedem abrate, wenn sich die Gelegenheit bietet: Ich habe im Web nach meinem eigenen Namen gesucht. Tatsächlich finde ich dort neben gleichfalls mittlerweile antiken Softwareprojekten, für die ich vor bald zwanzig Jahren meist Übersetzungen beigetragen habe, fast ausschließlich den (von der Presse erst wesentlich später entdeckten) Fehltritt von Anfang 2011, spätere Erwähnungen dieses Fehltritts sowie neuerdings zumindest skeptische Betrachtungen meiner Arbeit im Rat.

Ich habe in den bald zwölf seit der Petition vergangenen Jahren, wie zumindest ich meine, allerlei manchmal Großartiges, manchmal zumindest gut Gemeintes hervorgebracht, was in meinem Ruf, der hier in Frage steht, freilich nicht enthalten zu sein scheint. Noch nie sah man von mir einen Antrag, der in trüben politischen Gewässern fischen würde, und auch meine Ratsarbeit - Anfragen ebenso wie Anträge - kann niemand klaren Verstandes als logische Fortsetzung meiner Entscheidung von 2011 missverstehen.

Sicher: Auch ich habe eine Meinung über viele Menschen, von denen ich bisher vieles gelesen, aber mit denen ich niemals ein Wort gewechselt habe. Ich habe dann manchmal die Größe, wenn ich feststelle, dass mein erster Eindruck ein beschämend falscher war, sie um Entschuldigung zu bitten und das, was ich für ihren Ruf hielt, zu revidieren. Es ist nicht jeder so, wie es scheint.

Erstaunlich viele Menschen hätten sich mich, sagen sie nach dem ersten persönlichen Gespräch, ganz anders vorgestellt. Ich werde ja gern selbst vorstellig.

Ungeniert leben kann man ja danach immer noch.

Schlagwörter: persönliches

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