Tischgebetskritik
Warum müssen Kinder in den städtischen Kindergärten eigentlich Tischgebete zum christlichen Gott sprechen?
Schlagwörter: braunschweig, kirche
Symbolpolitiker aus der Symbolkirche (II): Iftār? If not.
Der Braunschweiger Oberbürgermeister, Dr. Thorsten Kornblum (SPD), freut sich, so berichtet meine Totholzpost, schon jetzt darauf, am 26. April 2022 - gemeinsam mit Doris Schröder-Köpf (ebenfalls SPD) - im Altstadtrathaus das traditionelle muslimische Fastenbrechen abzuhalten. Er freue sich auf einen Austausch, der
zur Verständigung der Kulturen und Religionsgemeinschaften aller (...) Bürger beiträgt.
Im Februar dieses Jahres schrieb ich, ich halte mich in meiner Rolle als Kommunalpolitiker von kirchlichen Veranstaltungen fern, weil ich eine Vereinnahmung der Politik für religiöse Zwecke ebenso ablehne wie eine Vereinnahmung der Religion für politische Zwecke. Ich bezog mich im konkreten Fall auf das Christentum, aber das war offensichtlich nicht ausreichend allgemeingültig formuliert.
Es stärkt nicht die Verständigung der Kulturen aller Bürger, wenn sich Rat und Vorstand einer Stadt zur Zusammenkunft einer einzigen Religionsgemeinschaft verabreden - vielmehr stärkt es ihre Spaltung, denn unweigerlich werden die Beziehungen zur jeweiligen Gemeinschaft so denen zu allen anderen Gemeinschaften vorgezogen. Nichtmuslime sind beim muslimischen Fastenbrechen allenfalls als unqualifizierte Gäste anzusehen, wie zum Beispiel auch kaum ein Druide Hanukkah als eines seiner Hochfeste verstehen dürfte.
Mit dem Jahreswechsel 2021/2022 war nicht einmal die Hälfte der Einwohner Braunschweigs christlichen Glaubens, auch unter den 55,7 Prozent sonstiger/keiner Religion dürfte sich kaum eine deutliche Mehrheit befinden. Das bedeutet indes auch: Jede konfessionsbezogene Veranstaltung in der Stadt fördert eine Minderheit zulasten der Trennung von Staat und Kirche.
Religion muss Privatsache sein. Kommunalpolitik tut meiner Meinung nach gut daran, sich nicht an den privaten Vorlieben von Minderheiten (und wenig könnte privater sein als der persönliche Glaube), sondern an den weltlichen Bedürfnissen der überkonfessionellen Mehr- bis Gesamtheit zu orientieren. Ich werde insofern persönlich auch diese Veranstaltung meiden; nicht etwa, weil ich den Islam ablehne, sondern, weil ich mit meinem Fernbleiben den Säkularismus stärken möchte.
Einer muss es ja tun.
Schlagwörter: braunschweig, persönliches, kirche
Symbolpolitiker aus der Symbolkirche
Vieles wird dieser Tage unternommen, um den Krieg in der Ukraine möglichst kurz zu halten. Einen zumindest kreativen Ansatz hierzu verfolgt die Stadt Braunschweig, deren Bürgermeister nicht nur heute die Flagge der "Mayors for Peace" (warum gibt's so etwas eigentlich nie auf Deutsch?) hisste, sondern die auch am kommenden Montag eine Veranstaltung namens "Lichter für den Frieden" abzuhalten vorhat.
Zunächst wird Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum eine kurze Ansprache halten, danach spricht Propst Lars Dedekind ein Friedensgebet. Ein Trompeter wird die Aktion musikalisch umrahmen. Anschließend haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, Kerzen zu entzünden und auf den Stufen des Rathauses abzustellen.
Ich erkenne die Absicht hinter der Veranstaltung an, mich hält aber zweierlei von ihr fern.
Zum Einen halte ich wenig von Symbolpolitik. Ich bin nicht 2009 in die (Partei-)Politik gegangen, um schön klingende Worte vor dankbarem Publikum zu sprechen, die keinen Effekt außer der Schmeichelung des eigenen Gewissens haben. Man wird die Welt nicht verbessern, indem man Flaggen an Gebäude projiziert. Niemand wird nicht in Kyiv sterben, weil in Braunschweig jemand Trompete spielt. (Allerdings hätte ich das gern mal als Fernsehsketch gesehen - es ist einfach wunderbar absurd.)
All das hat keine tatsächlichen Konsequenzen; allein: man fühlt sich als Teilnehmer möglicherweise gut, geht mit dem Gefühl beschwingt nach Hause, Solidarität gezeigt zu haben, und macht dort den Fernseher an und sieht, wie sich nichts ändert, außer dass man vielleicht für einen Moment in der "tagesschau" auftaucht, weil man auf einer Solidaritätsdemonstration war. 15 Minuten Ruhm - ist es das, worauf es gerade ankommt?
Zum Anderen halte ich die politische Verquickung mit der christlichen Kirche für einen Rückschritt. Die Trennung von Staat und Kirche ist auch dann unbedingt geboten, wenn sie - wie beim Anzünden von Kerzen für irgendein Weltgeschehen - als der logische Partner erscheint. Auf keinen Fall ist es in einer Zeit der kulturellen Offenheit geboten, die Minderung des eigenen Seelenleidens im nicht privaten Kontext einer seit Jahren schrumpfenden Kirche anzudienen. Die Solidarität der Stadt Braunschweig und ihrer Vertreter, eigentlich mit einer solchen Aktion vermeintlich offen zur Schau getragen, darf nicht nur den Christen in der Ukraine geiten.
Es ist noch viel zu tun.
Schlagwörter: braunschweig, persönliches, kirche