Piratiges: Kapitulation in Klammern.
Zu den merkwürdigsten Presseanfragen, die ich seit der verhängnisvollen Kommunalwahl erhielt, gehörte eine Mitteilung unseres Büromitarbeiters vor ein paar Tagen: es habe nämlich eine mir bekannte Redakteurin der Braunschweiger Zeitung, welche zu lesen ich nur allzu selten Lust und vor allem Zeit habe (ich wusste daher zunächst gar nicht, was er meinte), gefragt, wie sie unsere Gruppe, also Direkte Demokraten, künftig nennen solle.
Der Hintergrund: Offenbar ist es in der Braunschweiger Zeitung Usus, nicht etwa den Namen einer Gruppe kommentarlos zu drucken, sondern sie einzuordnen; so stand bis vor kurzem statt "Direkte Demokraten" stets ungefähr "Direkte Demokraten (die Basis, Piraten)" in den Artikeln. Darum hatten wir nie gebeten, da ich schon zu Beginn der Ratsperiode nicht mehr Mitglied der Piratenpartei, sondern vielmehr Freibeuter (so nennt die Piratenpartei seit vielen Jahren Piraten ohne Mitgliedschaft) war und wir unsere gemeinsame Aufgabe eben nicht darin sehen, für eine Partei zu sprechen, sondern für unsere Wähler, mithin: die Einwohner der Stadt. So gesehen müsste es eigentlich "Direkte Demokraten (für die Braunschweiger)" heißen.
Der Auslöser für die Anfrage scheint es, so weit ich die Vorgänge nachvollziehen kann, zu sein, dass anlässlich des bisher letzten Artikels, in dem auf diese Weise ausgedrückt stand, dass die Piratenpartei im Rat vertreten ist, Mitglieder der Piratenpartei Braunschweig sich bitterlich bei der bereits erwähnten Redakteurin darüber beklagten, dass das ja gar nicht gehe, dass man ihr unterstelle, dass jemand, der auf der Liste der Piratenpartei für die Piratenpartei mit dem Programm der Piratenpartei, das er obendrein nennenswert mitverfasst hat, in den Rat gewählt worden ist, irgendwas mit der Piratenpartei zu tun habe. Eine Gegendarstellung, gleichsam zur Betonung der Absurdität der Situation hinter einer Bezahlschranke stehend, wurde dem Artikel mittlerweile angefügt und die Nennung der Parteinamen ersatzlos gestrichen. Warum nicht gleich so?
Die Frage, warum die Piratenpartei gegen den Willen ihrer Wähler freiwillig ihren gegebenen Einfluss auf die politischen Geschicke der Stadt leugnet, wird 2026, wenn die nächste Kommunalwahl stattfindet, an ihren Infoständen zu stellen sein. So weit es mich betrifft, bin ich mit der bisherigen Bilanz nicht völlig unzufrieden. Eine Auswertung unserer Erfolge wird zu gegebener Zeit stattfinden. Die nächste Ratssitzung wird am 21. März stattfinden, in einigen unserer Redebeiträge (absehbar nicht von mir vorgetragen, wohl aber auch verfasst) wird sich hierzu möglicherweise etwas erkennen lassen. Aufgrund alter Verbundenheit würde ich mir von der Piratenpartei wünschen, sie würde ähnlich verbissen wie gegen ihren Mandatsträger für eine bessere Stadt kämpfen, aber dafür müsste man ja mehr tun als auf Nonsensdemonstrationen ein Fähnlein zu schwenken und die Lokalredaktion der größten Lokalzeitung mit Formalien zu nerven.
Ich bin mit Herzblut dabei, nicht mit dem Parteibuch, und ich habe versprochen, mein Bestes zu geben, um die gemeinsam formulierten politischen Ziele zu erreichen. Das war, ist und bleibt unabhängig von meinen persönlichen Mitgliedschaften in irgendwelchen Parteien und Vereinen, denn im Rat bin ich nicht Privatperson, sondern Sprachrohr derer, die mich dazu ernannt haben. Bisher hielt ich hartnäckig daran fest, dass eigentlich nichts dagegen spricht, insofern von mir als "für die Piraten im Rat" sitzend zu sprechen, aber dieses schleichende Gift auf zu vielen Kanälen - immer über mich, niemals mit mir sprechend - ist wirklich keine Freude. Von der Piratenpartei Braunschweig scheint organisatorisch kaum mehr übrig als eine geschlossene Gesellschaft für Ränkeschmiede, getarnt hinter Fähnchen und Ballonsäbeln, sicherheitshalber mit dem eigens neu geschaffenen Posten des Stammtischtürstehers gesichert. Muss man ja verstehen: Ein grundsätzliches Hinterfragen der Doktrin weniger Wortführer sorgt nur unnötig für Unfrieden.
Der Umgang mit mir und einem ehemaligen Vorstandskollegen, der eines der dienstältesten Parteimitglieder war, aber den Fehler gemacht hatte, sich mit mir zu solidarisieren, woraufhin er von Teilen des amtierenden Vorstands letztlich aus der Partei gemobbt wurde, steht in krassem Gegensatz zu den wohlfeilen Worten, die anlässlich irgendwelcher Pressetermine aus den immer gleichen drei Parteiaktiven salbungsvoll zugunsten der Gewinnung neuer Wähler herausschweben. Es tut mir im Herzen weh zu sehen, was aus diesem wirklich schönen Experiment geworden ist. Wohlgemerkt: Ich werde kein böses Wort über die Menschen hinter der Partei verlieren, bessere Freunde als manchen von ihnen zu finden ist wirklich nicht leicht. Zur Sache aber kann ich gern beitragen: Für diese Partei bin ich nicht im Rat.
Ich bin wegen der Menschen im Rat, mit denen ich jahrelang zusammen für eine bessere Zukunft gekämpft habe, und für die gemeinsam formulierten kommunalen Ziele. Ich vertrete die Wähler dieses Programms, ich vertrete alle, die eine moderne, fortschrittliche, demokratische, menschenfreundlichere Stadt wollen. Wir heißen Direkte Demokraten, nicht "Direkte Demokraten (die Basis, Piraten)", aber ich verwehre mich gegen jeden Versuch, denjenigen, die mir ihre Stimme gegeben haben, die Legitimation abzusprechen. Das ist doch kein Umgang mit Wählerstimmen.
"Die Piraten" sitzen nicht im Rat; aber ihre Wähler tun es und ihr Programm tut es.
Und - geht es euch jetzt besser?
Schlagwörter: stadtrat, piratenpartei, persönliches, presse, braunschweiger-zeitung