Stadtπrat

Es ist alles ganz furchtbar.

Vorlage 23-21448 oder: Wie SPD und Grüne einmal die Bürger zur AfD trieben

28. September 2023 — Stadtπrat

Dass SPD, Grüne und Volt, die im heutigen AMTA zum Unmut der anwesenden betroffenen Anwohner gegen ein überwältigendes Bürgervotum von etwa 90 Prozent gestimmt haben, überhaupt verstehen, welchen Schaden die im Ausschuss gefallenen Aussagen, die SPD sei gespaltener Meinung, habe sich in der Fraktion aber auf die gegnerische Ansicht geeinigt, und das Bürgervotum sei wegen geringer Wahlbeteiligung sowieso „Quatsch“, im Volke angerichtet hat, werden vor allem diejenigen verneinen, die nach der Sitzung mit dem Volke sprachen. Die CDU und wir haben dies getan, von den übrigen Fraktionen war nichts zu sehen. Kann ich verstehen: wen interessiert schon der Bürgerwille?

Seit Jahrzehnten überzeugte Wähler der Grünen haben mir gegenüber im Zorne angekündigt, sich künftig der AfD zuzuwenden, denn nur damit könne man den Grünen am empfindlichsten sein Missfallen zeigen. Falls noch jemand Fragen hatte, wie es sein kann, dass die politischen Ränder wieder erstarken: Es ist eine Flucht vor dem Krieg gegen die Wähler. Das wahrgenommene Signal sieht so aus: Die Politik interessiere sich nicht im Geringsten dafür, was die Bürger wollen.

Natürlich wird Rot-Grün sich davon aber nicht beeindrucken lassen. Warum auch? Bis 2026 sind die Pfründe ja gesichert und danach ist ein anderer schuld. Nächstes Jahr soll die Bürgerbeteiligung in der Stadt endlich beginnen. Man wird sehen, wer hierzu was in die Presse sprechen wird.

So was kommt von so was.

Schlagwörter: braunschweig, ratsarbeit, ausschüsse, demokratie, bürgerbeteiligung, volt, spd, die-grünen, afd

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Demokratische Fraktionen und das Radfahren

14. September 2023 — Stadtπrat

Dass es nicht nur im Rat und in den Ausschüssen dauernd passiert, sondern längst auch auf Bundesebene grassiert *reim*, dass irgendwelche Antragsteller - in Braunschweig ist es gern die BIBS - sich beim Vorstellen ihrer Vorhaben auf den rhetorischen Kniff herablassen, sie hätten hierfür „mit allen demokratischen Fraktionen“ gesprochen, sei mir aus aktuellem Anlass diesen Text wert.

Unter einer demokratischen Fraktion verstehe ich, man verzeihe mir die Unbedarftheit, eine solche, die nicht an der Abschaffung der Demokratie interessiert ist, deren Struktur demokratisch aufgebaut ist und deren wesentliches Interesse dem Wohlergehen möglichst vieler Bürger gilt. Nun möchte keine der im Rat vertretenen Gruppen, nicht einmal die aus oft inhaltlichen, manchmal weniger greifbaren Gründen viel gescholtene AfD, die Demokratie abschaffen, und auch ein diktatorischer Führungsstil ist mir nicht mal aus der CDU bekannt. Es mag unaufmerksame Beobachter unserer Arbeit überraschen, weil Piraten hin, Basis her: die AfD mag im Ratssaal in unserer Nähe sitzen (unsere Idee war das nicht), doch arbeiten wir aus einer Vielzahl an - meist politischen - Gründen nicht zusammen. Dennoch kämen wir niemals auf die Idee, der AfD-Fraktion die Eigenschaft „demokratische Fraktion“ abzusprechen.

Auch wir bekennen uns zur Demokratie, immerhin gehörte die quasi bedingungslose Einwohnerbeteiligung zu den wesentlichen Überschneidungen zwischen unseren Parteiprogrammen zum Zeitpunkt der letzten Kommunalwahl. Klar: Besser geht immer. Damit bleibt als einzige Unterscheidung zwischen „demokratischen Fraktionen“ und „nicht demokratischen Fraktionen“ das aktive Interesse am Wohlergehen möglichst vieler Bürger.

Schauen wir uns das also mal an:

Zur BIBS, die - wie auch die „Fraktion“ (Linke, Volt, PARTEI), was mich angesichts der revolutionären Ansätze von Teilen der Linken auf mehr als nur eine Art erschüttert - das plumpe Gerede von „demokratischen Fraktionen“ im Munde führt, ohne dem eine inhaltliche Begründung folgen zu lassen, mich zu wiederholen ergibt hier wenig Sinn. Rot-Grün wiederum, die zuverlässig sogar den eigenen Anträgen nicht zustimmen, wenn sie sie nicht selbst einbringen, haben offensichtlich nicht das Wohlergehen möglichst vieler Bürger, sondern nur den eigenen Parteienproporz im Sinn. Wen wundert es, dass der Bürger bei des Oberbürgermeisters Herzensprojekt „Konzerthaus“ trotz intensiver Proteste der Opposition nur begrenzt viele Möglichkeiten eingeräumt bekommt, seine Meinung dazu jenseits vorgedruckter Suggestivfragen (Beispiel: nicht ob, sondern wo) hinreichend öffentlich kundzutun?

Da passt es ins Bild, dass die neueste Innovation, die Braunschweiger Mobilitätswende betreffend, ein Logo für das Radfahren ist. Die Infrastruktur ist zwar immer noch bisweilen unübersichtlich, bisweilen gefährlich, aber die Handzettel sind jetzt hübsch. Ist das demokratisch? Für mehr Demokratie in stadtplanerischen Projekten sprechen sich außer uns konsequent auch FDP und CDU aus, deren Selbstverständnis indes bisweilen konservativer ist als das unsere (so halten wir zum Beispiel nicht allzu viel von einer autoreichen Innenstadt - einer unserer wenigen Reibungspunkte), dennoch werden beide Fraktionen als „demokratische Fraktionen“ verstanden und wir nicht. Wer aber den Begriff „demokratisch“ nicht mit inhaltlichen Argumenten unterfüttert, sondern ihn einzig als hohles Geschoss gegen diejenigen verwendet, die ihm aus nicht greifbaren Gründen nicht sympathisch sind, dessen Demokratie ist nicht unsere Demokratie.

In einem gelungenen „FAZ“-Kommentar schrieb Rainer Hank zu Recht, das Gegenteil von Demokratie sei nicht der Populismus, sondern „die Anarchie oder die Aristokratie oder die Monarchie“. Natürlich muss ein Politiker, will er erfolgreich sein, auch die Sprache der Populisten sprechen, mithin dem oft übersehenen einfachen Volk (und damit vielen potenziellen Wählern) seine Solidarität versprechen. Das gelingt Parteien von ganz links bis ganz rechts mitunter recht gut. Der Anteil an zum Populismus fähigen Mandatsträgern im Braunschweiger Stadtrat liegt also, grob überschlagen, bei ungefähr 100 Prozent. Der Anteil an denen, die die Demokratie nicht als Kampfbegriff, sondern als wertvolle Errungenschaft zugunsten der Konsensfindung zwischen möglichst vielen möglichst unterschiedlichen Ideen zur Lösung desselben Problems begreifen, liegt hingegen deutlich niedriger.

Immerhin beruhigend: Selbstgespräche führen diejenigen, die „mit allen demokratischen Fraktionen“ geredet haben wollen, schon mal nicht.

Schlagwörter: demokratie

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Das Wahlideal

22. December 2021 — Stadtπrat

Der Rat der Stadt Braunschweig hatte sich gestern mehrheitlich dafür ausgesprochen, den Ersten Stadtrat trotz begründeter Einwände einzelner Fraktionen ohne erneute Ausschreibung wieder zu wählen. Einige dieser Einwände waren seltsam (etwa, dass stattdessen ausnahmsweise mal eine Frau seine Stelle kriegen könnte, was ich persönlich für keine relevante Eigenschaft eines Dezernenten und Stadtrats halte), andere hielt ich für wirklich überzeugend, etwa seine eher maue politische Bilanz der letzten Jahre.

Ich hatte gegen diese konkurrenzlose Wiederwahl gestimmt, denn obwohl ich als noch recht neues Ratsmitglied wenig von seiner bisherigen Arbeit direkt miterleben konnte, befürworte ich es, wenn man tatsächlich die Wahl hat. Es mag sein, dass Christian Geiger sich inzwischen gut vernetzt hat und ihn zu ersetzen auch deshalb mit Herausforderungen für seinen potenziellen Nachfolger verbunden wäre, aber das ist in meinen Augen nicht genug Anlass, eine Ausschreibung direkt zu unterlassen. Was, wenn tatsächlich jemand sich beworben hätte, der noch besser vernetzt ist?

Eine Arbeit hinreichend lange ausreichend gut erledigt zu haben sollte nicht vor einer Abwahl bewahren. Auch das Amt des Oberbürgermeisters wird ja alle paar Jahre erneut zur Wahl gestellt, obwohl der jeweilige Amtsinhaber vielleicht gar nicht schlecht in der Bürgermeisterei ist. Im aktuellen Braunschweiger Stadtrat sitzen gar Ratsmitglieder, die bereits seit zwanzig Jahren diesen Posten innehaben; dennoch müssen auch sie alle fünf Jahre fürchten, vom Wähler von jemandem ersetzt zu werden, der sich nicht ganz so gut im kommunalpolitischen Alltag zurechtfindet.

Ich akzeptiere zwar den Mehrheitsentscheid meiner Ratskollegen, halte dieses Vorgehen aber zumindest für konzeptionell verbesserungswürdig. Vielleicht ja nächstes Mal.

Schlagwörter: stadtrat, ratsarbeit, demokratie, christian-geiger

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